So steigern Sie Ihre Überzeugungskraft – auch nonverbal!
Nachtmodus
Wer kennt das nicht: Sie sehen in den Nachrichten einen kurzen Ausschnitt von einem Interview, einer Ansprache oder einem Vortrag und entscheiden meist sehr schnell, ob der oder die Redende verständlich spricht und Sie überzeugt. Der erste Eindruck wird meist in Sekundenschnelle erfasst und entscheidet, ob Sie den Ausschnitt weiterverfolgen oder umschalten. Aber wie entsteht eigentlich der Eindruck von Verständlichkeit und Überzeugungskraft?
Wenn wir in direkten Kommunikationssituationen mit anderen Personen sprechen oder in indirekten Situationen wie bei einem Fernsehinterview andere Personen sehen und hören, so nehmen wir unser Gegenüber über unterschiedliche Sinneskanäle wahr. In den meisten Situationen hören wir den Inhalt und die Art und Weise wie gesprochen wird und sehen körperliche Verhaltensweisen. Im direkten Gespräch kommen vielleicht noch fühlbare Signale wie ein Händeschütteln oder eine Schulterklopfen hinzu. Wir hören, sehen und fühlen jedoch nicht einfach diese verbalen und nonverbalen Signale, sondern verarbeiten diese wahrgenommenen Reize weiter, vergleichen deren Stimmigkeit und interpretieren sie. Unser Gehirn kombiniert in kürzester Zeit alle diese Reize zu einem bestimmten Eindruck. Und wir nehmen auch Annahmen über mögliche Gründe vor, warum sich diese Person so verhält, wie sie sich eben verhält: Wirkt der oder die Sprechende kompetent, nervös, glaubwürdig, unglaubwürdig etc.? Psychologische Modelle wie das Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacioppo heben in diesem Zusammenhang zwei Arten der Informationsverarbeitung hervor. Demnach setzen wir uns eher mit inhaltlichen Aspekten auseinander, wenn uns Themen betreffen oder interessieren. Im Gegensatz hierzu ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir uns bei der Verarbeitung der Informationen an begleitenden Signalen, wie Sprechweise, Kleidung etc., orientieren, wenn wir keine oder nur kaum Berührungspunkte zum Inhalt verspüren.
In vielen Rhetorikbüchern findet sich noch die ursprünglich auf Mehrabian/Wiener (1967) und Mehrabian/Ferris (1967) zurückgehende 7%-38%-55%-Formel. Hiernach sollen Einstellungsbeurteilungen zu 7% durch die verbale Ebene, zu 38% durch die Stimme und zu 55% durch den Gesichtsausdruck bestimmt sein. Im Vergleich zum eigentlichen Inhalt sollen demnach nonverbale Anteile deutlich bei der Eindrucksentstehung überwiegen. Da die damaligen Untersuchungen sich v. a. auf Einzelwörter, Fotos und Audioaufnahmen stützten, ist dieses Ergebnis nicht auf alle Sprechsituationen übertragbar (vgl. Heilmann 2011). Für Vortragssituationen liefert jedoch die Untersuchung von Jackob et al. (2008) mittels einer Technik zur zeitgenauen Messung von Überzeugungskraft (Real-Time-Response) interessante Befunde. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass der eigentliche Text – also der Inhalt und das Argumentationsmuster – das Wirkungsmuster der Rede vorhersagt, aber die Art der Darbietung den Gesamteindruck verbessern oder auch verschlechtern kann. Demnach haben nonverbale Verhaltensanteile durchaus Einfluss auf unsere Eindrucksbildung, auch wenn sich eine genaue Formel nicht herleiten lässt.
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Das Telefon klingelt, Sie heben ab, verstehen jedoch den Namen des Anrufers nicht und dieser beginnt zu sprechen. In den meisten Fällen wissen wir sehr schnell, ob es sich um einen jungen oder älteren Mann oder eine junge oder ältere Frau handelt. Kommen wir z. B. auf einer Betriebsfeier mit einer fremden Person ins Gespräch, orientieren wir uns auch an den visuell wahrnehmbaren Zeichen wie Haare, Gesicht, Kleidung, um zu erkennen, ob es sich um eine Frau, einen Mann eines bestimmten Alters handelt. Dies bedeutet, dass wir derartige Signale sehr schnell verarbeiten und für unsere Orientierung in der Welt nutzen. Einige dieser Signale sind somit biologisch vorprogrammiert, wie z. B. Aussehen, Alterungsprozesse wie Faltenbildung, Sprechtonhöhe etc. Andere Signale sind wiederum von der Situation und unserer emotionalen Befindlichkeit abhängig. Während wir auf angenehme Situation häufig mit Entspannung reagieren, tritt genau das Gegenteil bei unangenehmen oder bedrohlichen Situation ein: Wir reagieren mit Anspannung und unser Muskeltonus erhöht sich. Diese Muskelaktivitäten beeinflussen wiederum unser nonverbales Verhalten: Die Hände oder Finger verkrampfen, die Hals- und Kiefermuskulatur wird fest, die Stimme wird höher. Bereits seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ist bekannt, dass bestimmte Basisemotionen wie Angst, Freude, Traurigkeit etc. interkulturell am Gesichtsausdruck erkannt werden können, auch wenn bestimmte kulturelle Regeln das Zeigen derartiger Emotionen beeinflussen (vgl. Ekman 1977; 2016). Während wir jedoch leichter unsere Gesichtszüge kontrollieren und willentlich beeinflussen können, gelingt dies bei unserer Stimme und Sprechweise häufig nicht. Unsere Stimme und Sprechweise verraten sehr eindeutig, in welcher emotionalen Stimmung wir uns gerade befinden. Studien haben gezeigt, dass z. B. bei Ärger oder Angst die Sprechtonhöhe ansteigt, bei Ärger weniger Pausensetzungen stattfinden und die Lautstärke bei Überraschung und Ärger ansteigt (vgl. Juslin/Scherer 2008). Auch diese Befunde scheinen internationale Gültigkeit zu besitzen, auch wenn Sie von der jeweiligen Situation, in der wir sprechen, abhängig sind. Call-Center und Unternehmen nutzen bereits diese Erkenntnisse systematisch, um mithilfe von Analyseprogrammen, auf die emotionale Befindlichkeit und das Stresslevel ihrer Kunden zu schließen (https://www.heise.de/newsticker/meldung/Stimme-verraet-Charakterzuege-4285505.html; https://blog.talkbase.com/de/so-nutzen-sie-ihre-call-center-analyse-optimal/).
In Face-to-Face-Situationen nutzen wir neben den akustischen auch die visuellen Reize, um einen Eindruck unseres Gegenübers zu bekommen und uns bei der Interpretation des Gesagten leiten zu lassen. Generell erleichtert uns die Kombination aus vielen verschiedenen Reizen, eine genauere und richtigere Einschätzung unserer Umgebung. Die Tatsache, dass interkulturell ähnliche Muster im nonverbalen Verhalten aufgrund der zugrundeliegenden Emotionen bestehen, erleichtert uns die Interpretation. Selbstverständlich hängt es jedoch von kulturellen sowie gesellschaftlichen Standards, persönlicher Kontrolle und Glaubenssätze ab, ob und wie nonverbale Verhaltensweisen in bestimmten Situation gezeigt werden.
Für die eigene Selbstpräsentation ist die bisherige Erkenntnis wichtig, dass nonverbales Verhalten häufig situationsbedingt ist und auf Muskelaktivitäten zurückgeführt werden kann. Besonders solche Situation, in denen wir uns selbst präsentieren und die uns intellektuell fordern oder deren Verlauf für unsere Zukunft entscheidend ist, werden von unserem Körper als Stress wahrgenommen. Evolutionsbedingt wird ein Leistungsprogramm gestartet: erhöhter Muskeltonus, Leistungsatmung, die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe. Wird jedoch ein sogenannter förderlicher Stress, der uns zur Leistung befähigt (= Eustress) überschritten, sind die Auswirkungen eher hinderlich: feuchte Hände, unwillkürliche Bewegungen, erhöhte Sprechstimmlage, trockener Mund, Konzentrationsschwierigkeiten. Genau dies sind auch meist die Zeichen die mit Nervosität oder Aufregung und mangelnder Überzeugungskraft gleichgesetzt werden. Unser Gegenüber stellt vielleicht in der Situation noch Vermutungen über die möglichen Gründe an: mangelnde Kompetenz, zu wenig vorbereitet, generell instabil … Obwohl wir unseren Gesichtsausdruck während wir sprechen meistens nicht selbst überprüfen können und wir unsere Stimme anders als unser Gegenüber empfinden, können wir lernen, auf diese Körpersignale zu reagieren und diese zu beeinflussen.
Die wahrgenommene Überzeugungskraft hängt also nicht nur von dem ab, was wir sagen, sondern auch, wie wir es sagen. Die Kontrolle über unseren Körper in bestimmten Situationen ist deshalb die nötige Voraussetzung, um tatsächlich die Wirkung bei unserem Gegenüber zu erreichen, die wir erreichen wollen.
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